Hallo Marion,
ja ich habe die neue Liste schon im Clubforum thematisiert, denn nicht wenige der Entscheidungen führen bei mir zu Unverständnis oder ich würde einen anderen Ansatz begrüßen. Die betreffenden Publikationen finden sich
hier
Inzwischen hat ja auch einer der Autoren (übrigens ein Freund von mir) Stellung zu meiner Kritik bezogen und einiges versucht klarzustellen. Dennoch kann ich mich nicht mit der neuen Liste anfreunden, dabei habe ich ihr schon seit langem entgegengefiebert.
Folgendes hat sich geändert:
Es wird nun der systematischen Autorität der International Ornithological Union (IOC) gefolgt, so wie es viele andere Länder in Europa bereits vorgemacht haben. Ich und viele andere Ornithologen begrüßen diesen Schritt, denn er führt zu mehr Klarheit und Eindeutigkeit in der Welt. Änderungen an der Weltliste werden regelmäßig und nachvollziehbar dem neuesten Stand der Wissenschaft angepasst.
https://www.worldbirdnames.org/
Es ergeben sich eine Reihe von taxonomischen Änderungen, die auch in der Begleitpublikation gut zusammengefasst werden, großteils aber schon etliche Jahre in der ornithologischen Welt bekannt sind.
In Zusammenarbeit mit dem IOC hatte sich vor langer Zeit auch eine Kommission „Deutsche Namen für die Vögel der Erde“ in der DOG gebildet. Details zur Kommission und ihren Grundsätzen finden sich hier:
https://www.do-g.de/die-do-g/kommission ... erde/?L=86
Während die meisten Arbeitsgrundsätze schnell einleuchten, so habe ich persönlich meine Schwierigkeiten den SInn hinter Grundsatz Nummer 6 zu erkennen:
Getrennt geschriebene Namen sollten zusammengezogen werden, aus mehr als drei Wörtern zusammengesetzte Namen sind mit Bindestrich zu schreiben.
Folgende Änderungen der deutschen Artnamen ergeben sich:
Neubenennungen aufgrund von Splits:
- Corysturmtaucher
- Barolosturmtaucher
- Graukopf-Purpurhuhn
- Ligurien-Bartgrasmücke
- Alpenbirkenzeisig und Taigabirkenzeisig
Ich glaube nicht, dass es hier viel Diskussionbedarf gibt.
Neubenennungen um irreführende oder diskriminierende Namen zu vermeiden und Verwandschaften zu verdeutlichen:
- Kappensturmtaucher statt Großer Sturmtaucher
- Noddi statt Noddiseeschwalbe
- Schwarzsteppenlerche statt Mohrenlerche
- Katzenspottdrossel statt Katzenvogel
- Grauwangen-Musendrossel, Zwerg-Musendrossel und Einsiedler-Musendrossel statt Grauwangendrossel, Zwergdrossel und Einsiedlerdrossel
- Grünmantel-Waldsänger statt Grünwaldsänger
- (Braunkopf-Kuhstärling statt Kuhstärling)
Mit diesen Änderungen kann ich leben, auch wenn ich besonders die Neubennungen von Katzenvogel und den amerikanischen Drosseln wesentlich unschöner und sperriger finde. Waren Änderungen wirklich notwendig?
Neubenennungen um Grundsatz Nummer 6 zu entsprechen:
- Dunkelsturmtaucher statt Dunkler Sturmtaucher
- Kleinsumpfhuhn statt Kleines Sumpfhuhn
- Brachvogel statt Großer Brachvogel
- Anadyrknutt statt Großer Knutt
- Tundraschlammläufer und Moorschlammläufer statt Großer Schlammläufer und Kleiner Schlammläufer
- Gelbschenkel statt Kleiner Gelbschenkel (und Tüpfelgelbschenkel statt Großer Gelbschenkel)
- Dunkelwasserläufer statt Dunkler Wasserläufer
- Kanadabergente statt Kleine Bergente
- Pharaonenibis statt Heiliger Ibis
- Rotgesichtlöffler statt Afrikanischer Löffler
Wie schon gesagt, verstehe ich den Sinn hinter Arbeitsgrundsatz 6 und damit auch hinter den Neubennnungen nicht. Bei mir wird dies für etliche Jahre zu Verwirrung führen, ich werde mir nie merken können welcher eigentlich welcher Schlammläufer ist, werde bei Gelbschenkel intuitiv erstmal an den Großen Gelbschenkel denken. Ich habe vorher noch nie vom Anadyr gehört, fand daher den Namen Großen Knutt einfacher nachzuvollziehen und zu merken. Der Name Großer Brachvogel ist im kollektiven Bewusstsein vermutlich ähnlich tief eingeprägt wie der Fischreiher und an die anderen Namen war man halt ainfach sehr gut gewöhnt. Würde dieser Grundsatz auf andere Tiergruppen ausgeweitet hätten wir bald einen Weißhai, einen Afrika-Elefanten oder eine Griechenland-Landschildkröte. Aber zu welchem Zweck?
Und zu guter letzt gibt es die Änderung von Ziegenmelker zu Nachtschwalbe. Der Name ist wissenschaftlich gesehen immer noch unkorrekt und eine Notwendigkeit zur Umbenennung gibt es nicht. Ich glaube nicht, dass heutzutage noch irgendjemand glaubt, dass der Vogel Ziegen melkt. Das angeführte Argument zur Vereinheitlichung der Namen halte ich für an den Haaren herbeigezogen, denn a) wird es nicht konsequent angewandt, vgl. z.B. Amsel, Zilpzalp, Teich- und Blässhuhn, Sanderling, Skua uvm. b) wird derzeit nicht nur
Caprimulgus europaeus Ziegenmelker genannt (wie in der Publikation behauptet), sondern auch Rothalsziegenmelker, Nubischer Ziegenmelker, Pharaonenziegenmelker und andere, und c) wird hier die Etymologie, die bis zu den alten Griechen zurückreicht und immer im wissenschaftlichen Namen Caprimulgus (=Ziegenmelker) verewigt bleiben wird missachtet. Andere Vögel dürfen ihre irreführenden Namen ja auch behalten (z.B. Grasmücken, Tölpel, Teichhuhn, u.a.).
Meiner Meinung nach werden mit diesen unnötigen Entscheidungen mehr Sympathien für Entscheidungen der DO-G verspielt, als dass Klarheit geschaffen wird. Und die Namen vieler Vögel verlieren ihren Charme...
Das wäre es erstmal zu den Umbenennungen. Es lässt sich etliches zu anderen Entscheidungen (Ausnahmeerscheinungen, Neozoen, ship-assisted, Streichung Madeirawellenläufer) schreiben, für heute soll es aber erstmal reichen.
MfG Maffong