Auch wenn diese Diskussion durch einen gewissen Unmut entstanden ist, finde ich sie nicht abwegig.
Mir gehen solche Pauschalisierungen über Amateure und ihr Equipment auch ein wenig zu weit. Das kann ich aus Erfahrung so schreiben.
Wenn mir meine Frau im Ohr liegt und meint, sie wolle auch "so tolle Bilder" machen, gehe ich nicht her und verweise sie auf ihr Können, wenn sie mit ner 350D und einer Canon-Billig-Plastik-Scherbe fotografieren muss - und ich mit einer 700D + EF 70-200 L F/4. Das ist ein wenig unfair.
Und seit sie eine "bessere" Kamera und ein "besseres" Objektiv hat, macht ihr das Fotografieren auch wieder Laune und kann weiter an ihrem Können arbeiten und nun das Equipment ausreizen. Und das macht sie jetzt viel motivierter als zuvor, weil einfach die Ergebnisse besser sind. Und das lag definitiv an der Ausrüstung und nicht am Können.
Über die Motivation zum Fotografieren mit schlechtem oder gutem Equipment könnte ich mindestens ein Taschenbuch schreiben, auch aus meiner persönlichen Erfahrung mit meinem "alten" Equipment (300D, 1000D + Sigma 50-200). Ich hatte zT einfach keine Lust mehr, weil -egal was ich anstellte- die Bilder waren zwar "toll", aber nicht scharf und ohne Dynamik.
Meine Frau hatte alles an den Nagel gehängt und komplett aufgegeben. Ich Idiot habe das nie so für voll genommen und dachte dazu auch noch, dass sie eh nicht so richtig Bock darauf hat und einfach nur "knipsen" will; und dazu war mir teures Zeug einfach zu teuer. Bis sie sich schließlich eines Morgens heimlich mein Zeug schnappte und durch den Garten tobte, um Bilder in der Morgensonne zu machen. Dabei kam dann unter anderem das heraus:
![Eisrose_2.jpg](./download/file.php?id=4517&sid=7d39c725608c3ee143977340068a6080)
- Größe: 471.96 KiB, 3138 mal betrachtet
Das war am 31.10. 2017 und das werde ich nie vergessen. Nach dieser,
ihrer Erfahrung, dass sie AUCH gute Bilder machen kann -die man auch mal jemanden zeigen kann-, ist sie nochmal von Null durchgestartet, hat sich wieder neu in dieser Thematik orientiert, informiert und belesen. Wir haben jetzt gefühlt mehr Bücher über Fotografie, als Schuhe im Schrank
Des Weiteren wurde natürlich das alte Equipment verkauft oder verschenkt. Sie hat sich im Rahmen unseres Budgets ihre Kamera selbst ausgesucht und besorgt; ich habe mich um "vernünftige" Objektive belesen und bemüht. Geworden ist es eine 750D + EF 70-300 F/4,0-5,6 + EFS 10-18mm. Jetzt ist es so, dass wir gemeinsam nach Hot Spots suchen, geeignete Lichtverhältnisse ausnutzen (zB für Landschaften) oder einfach -wie heute wieder- durch die Landschaft spazieren und versuchen Tiere zu beobachten, ggf. zu fotografieren.
Mein Fazit nach diesen ganzen Erfahrungen ist folgendes: Sicherlich ist es nicht verkehrt, einen Amateur darauf hinzuweisen, erst mal sein Equipment auszureizen um damit Erfahrungen zu sammeln. Es ist auch richtig, darauf hinzuweisen, dass es immer jemanden gibt, der
hinter der Kamera steht und das Bild letztendlich selbst gestaltet.
Es muss aber auch immer klar sein, dass Grenzen mit "kostengünstigen" Produkten sehr schnell erreicht sind, gerade bei der Fotografie; wobei die Lernkurve nach erreichen dieser Grenzen rapide sinkt und die Motivation dabei komplett drauf gehen kann. Wer dann noch immer herkommt und meint, man solle erstmal das Equipment ausreizen, hat die Welt der preiswerten Produkte nicht verstanden oder ignoriert sie einfach, weil er/sie solche Produkte noch nie benutzen musste. Und das erscheint mir gegenüber diesem Amateur dann letztendlich überheblich.
Ich vergleiche das mit der Weile sehr gerne mit einem Tischlergeselle, der von seinem Meister ein Stecheisen aus Aluminium erhält (weil die aus Stahl sind ja teuer!) und soll damit eine Ausklinkung in Eicheholz herstellen - um "Erfahrung" zu sammeln. Der Lehrling wird nach spätestens 2 Stunden das Ding in die Ecke feuern und die Lehre beenden.
Mit stumpfen Werkzeugen (oder unscharfen Objektiven!) schafft man keine Meister.
Viele Grüße
Matthias